Die Ära Adenauer steht für Westintegration, Wiederbewaffnung und NATO-Beitritt der Bundesrepublik. Dazu gehören die deutsch-französische Zusammenarbeit, die Einheit Europas, die Wiedergutmachung für Israel und trotz mancher Krise das Bündnis mit den USA. Der Name Adenauer ist eng verbunden mit sozialer Marktwirtschaft und der Integration von acht Millionen Vertriebenen. Seine politischen Gegner kritisieren, er sei gegenüber ehemaligen Nazis zu nachsichtig gewesen und habe Stalins Wiedervereinigungsangebot aus dem Jahre 1952 nicht „ausgelotet“.
Ludwig Erhard, seit 1949 Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland, wird im Oktober 1963 Nachfolger von Konrad Adenauer. Ende 1966 tritt er zurück: Aus seiner Sicht haben ihn Machtgier, Neid und Ehrgeiz innerhalb der CDU/CSU gestürzt. Heute gilt er als gescheiterter Kanzler, gescheitert in den Beziehungen zu Frankreich und den USA. Was bleibt, ist seine historische Weichenstellung von der Plan- zur Marktwirtschaft noch vor Gründung der Bundesrepublik: Er bleibt der Garant für den wirtschaftlichen Aufstieg.
Im Oktober 1969 wird Willy Brandt zum neuen Bundeskanzler gewählt. In der Koalition mit der FDP werden neue Akzente in der Deutschland- und Ostpolitik gesetzt. Das beginnt mit der historischen Reise Willy Brandts nach Erfurt im März 1970, wo er DDR-Ministerpräsident Willi Stoph trifft, und dessen Gegenbesuch in Kassel vier Wochen später. Im Kreml liegt der Schlüssel für Erfolg oder Misserfolg der neuen Bonner Ostpolitik. Egon Bahr erreicht nach 55 Stunden und drei harten Verhandlungsrunden eine Einigung mit den Sowjets in Moskau. Es folgt die Unterzeichnung des Moskauer Vertrages, dann der Warschauer Vertrag und Ende 1971 das Vier-Mächte-Abkommen der vier Alliierten. Dem folgt das Ringen um die Ratifizierung der Ostverträge im Deutschen Bundestag – mit dem gescheiterten konstruktiven Misstrauensvotum der CDU/CSU Opposition gegen Willy Brandt. Wir wissen inzwischen, warum dieser Antrag scheiterte.
Nach dem überraschenden Rücktritt von Willy Brandt wählen die Abgeordneten von SPD und FDP Helmut Schmidt am 16. Mai 1974 zum neuen Bundeskanzler. Er gilt als Garant für die Fortsetzung der sozial-liberalen Koalition – allerdings mit einer deutlichen Kurskorrektur in der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. Ein beherrschendes Thema seiner Kanzlerschaft ist der zunehmende Terror in der Bundesrepublik. Das beginnt im Februar 1975 mit der Entführung von Peter Lorenz, dem Westberliner CDU-Landesvorsitzenden und Kandidaten für das Amt des regierenden Bürgermeisters. Lorenz wird ausgetauscht, eine Entscheidung, die Schmidt im Nachhinein bedauert. Im April 1975 Terroranschlag auf die Deutsche Botschaft in Stockholm: Es wird nicht ausgetauscht. Anfang 1977 Mordanschlag gegen Generalbundesanwalt Siegfried Buback und gegen Jürgen Ponto, den Vorstandssprecher der Dresdner Bank, schließlich im September 1977 die Entführung von Arbeitgeberpräsident Hans-Martin Schleyer mit all den damit verbundenen Aktionen, u.a. der Entführung der Lufthansa-Maschine und der spektakulären Befreiungsaktion der Geiseln in Mogadischu durch die eingeflogene Bundesgrenzschutzsondereinheit GSG 9. Wie wir inzwischen wissen – und was lange verschleiert wurde: Für die Aktion der GSG 9 zahlte Bonn 30 Millionen D-Mark an den somalischen Diktator Barre. Wir wissen inzwischen auch, dass es im Krisenstab damals Stimmen gab, Geiseln zu erschießen.
Am 1. Oktober 1982 wird Helmut Kohl durch ein erfolgreiches konstruktives Misstrauensvotum von CDU/CSU und FDP als Nachfolger von Helmut Schmidt zum neuen Bundeskanzler gewählt. Für manche Intellektuelle ein Betriebsunfall der deutschen Geschichte. Sie hoffen auf eine kurze Episode. In seiner ersten Regierungserklärung kündigt Kohl eine Wende in der Sicherheits-, Wirtschafts- und Finanzpolitik an, wogegen seine Kritiker Klarheit über die angekündigte geistig-moralische Wende vermissen.
Nach der ersten gesamtdeutschen Wahl im Dezember 1990 und der eindrucksvollen Bestätigung der Regierung Kohl/Genscher wird Helmut Kohl am 17. Januar 1991 zum ersten Kanzler des vereinten Deutschland gewählt. Ein zentrales Thema der folgenden Jahre ist die Übertragung der westdeutschen Gesellschafts-, Wirtschafts- und Sozialordnung auf das ehemalige kommunistische Land DDR. Es ist eine Aufgabe von historischer Dimension, bei der Fehlschläge unvermeidbar sind.