Goethe nannte es einen Traum, ein Märchen: das Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Es liegt heute in Sachsen-Anhalt und lässt sich noch so bestaunen, wie es einst entstand: als der erste Landschaftsgarten nach englischem Vorbild auf dem europäischen Festland. Hier sind die Aufklärung und der Humanismus als Gartenkunstwerk erhalten. Viele andere Landschaftsgärten von Frankreich bis Russland haben im Gartenreich Dessau-Wörlitz ihr Vorbild. Spiritus Rector war Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau; Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff sein wichtigster Inspirator und genialer Umsetzer aller Ideen. Mit dem einzigartigen Landschaftskunstwerk verwirklichten sie zugleich ein ganzes Reformprogramm vom Schönen und Nützlichen zum Wohle der Menschen. Ludwig Trauzettel, der Chefgärtner von Wörlitz, weiht Wladimir Kaminer in die Geheimnisse der Sichtachsen ein, die mit jedem Schritt den Blick für gemalte Natur öffnen. Mit dem Euronatur-Preisträger Ernst-Paul Dörfler entdeckt er im Naturparadies Kühnauer See eine äußerst seltene Wasserpflanze: die Krebsschere. Und Kaminer bewundert, mit welchen Ideen einst die holländischen Wasserbaumeister die Deiche im Gartenreich anlegten, um den jährlich wiederkehrenden Elbe-Hochwassern zu trotzen. Wolfgang Spyra, Pyrotechniker an der TU Cottbus, bringt den einzigen künstlichen Vulkan Westeuropas nach historischem Vorbild zum Ausbruch und macht Kulturgeschichte lebendig.
In Südmähren, am Flüsschen Thaya, im Dreiländereck von Österreich, der Tschechischen und der Slowakischen Republik, ist eine Kulturlandschaft gigantischen Ausmaßes zu entdecken: Mit seinen 280 Quadratkilometern ist das Areal von Lednice-Valtice der größte Landschaftsgarten Europas. Seine Wurzeln liegen in der Aufklärung. Initiator dieser von Menschenhand gestalteten Region war Aloys I., ein tatkräftiger Visionär, der 1781, mit nur 22 Jahren, die Geschicke des Fürstenhauses von und zu Liechtenstein zu lenken begann. Der Kunsthistoriker Dr. Stefan Körner erzählt von einer Zeit gewaltiger gesellschaftlicher Umbrüche am Ende des 18. Jahrhunderts, die in dieser Region einen einzigartigen Mikrokosmos der Weltkulturen gebar. Felder und Wälder, Weinberge und Wasserläufe, Burgen und Schlösser verschmelzen hier bis heute zu einer wunderbaren Symbiose zwischen dem Schönen und dem Nützlichen. Der Landschaftsgärtner Zdenek Novák macht Wladimir Kaminer auf die Besonderheiten der Bäume im Garten von Lednice aufmerksam, die der ökonomisch versierte Fürst in Zeiten großer Holznot pflanzte. Und Kaminers Blick fällt auch auf die besondere Architektur des Minaretts, die vom fürstlichen Hofbaumeister und Architekten Joseph Hardtmuth geschaffen wurde, den er bisher nur als genialen Erfinder des Bleistifts kannte.
Katharina II., genannt Katharina die Große, schenkte das Anwesen südlich von St. Petersburg dem Thronfolgerpaar, ihrem Sohn Pawel und seiner Gattin Maria Fjodorowna, anlässlich der Geburt ihres ersten Kindes. Als deutsche Prinzessin Sophie Dorothee von Württemberg geboren, baute Maria Fjodorowna nicht nur Brücken nach Europa. Mit ihrer künstlerischen Begabung und ihren botanischen Kenntnissen prägte sie auch Landschaftspark und Schloss von Pawlowsk. Nach den Entwürfen von Charles Cameron, einem schottischen Architekten am Hof von St. Petersburg, begann im Jahr 1778 die Erschließung des Geländes. Es entstand eine großartige Inszenierung einer scheinbar unberührten Naturlandschaft im Geist der Aufklärung. Heute erzählt hier alles Geschichte und Geschichten. Einige davon erfährt Wladimir Kaminer von der Gartenarchitektin Svetlana Fedorova auf einer Kutschfahrt durch den Garten. Aber nicht nur im Sommer, auch im Winter entdeckt er Pawlowsk als Gesamtkunstwerk des Gleichklangs zwischen Mensch und Natur.
Nieborow und Arkadia, 75 Kilometer westlich von Warschau im Herzen Polens gelegen, stehen beispielhaft für die polnische Adelskultur des 18. Jahrhunderts. Schloss und Park Nieborow sind Ende des 17. Jahrhunderts als Landsitz für den polnischen Kardinal Radziejowski im Stil des Barock erbaut worden. 1774 kaufte das Fürstenpaar Helena und Michal H. Radziwill das Anwesen und baute es zum Familiensitz aus. Seinen europäischen Rang verdankt Nieborow aber weder dem Schloss noch seinen barocken Parkanlagen, sondern einer Laune ihrer Besitzerin. Ab 1778 ließ Fürstin Helena Radziwill nicht weit von Nieborow entfernt ihren Park Arkadia erbauen. Helena Radziwill schuf in ihrem Adelsgarten eine Idylle in einer Zeit, als Polen von schweren inneren und äußeren Konflikten heimgesucht wurde. Seinen Namen leiht Arkadia von einer Landschaft Griechenlands. Der Mythos der Antike steht für eine Welt der Schönheit, Weisheit und Vollkommenheit, die einmal schon errungen war und wieder verloren ging. In der Ideallandschaft Arkadia spiegelt sich die Sehnsucht nach dem Paradies als einer Gegenwelt in einer neu erschaffenen Natur. Die glückliche Vergangenheit, die den Park Arkadia als Abglanz sehnsuchtsvoller Erinnerung durchscheint, beschwört die bukolische Idylle eines goldenen Zeitalters, in dem es weder Leid noch Kriege gibt und die Götter des Olymps mit den arkadischen Hirten ihre Späße treiben. Hinter aller Inszenierung aber, hinter Maskenspiel und architektonischer Kulisse, steht ein facettenreiches philosophisch-künstlerisches Programm. In Arkadia lebt das Prinzip Hoffnung: Es soll Frieden sein und großes Glück, arkadisch frei - für alle und für jeden.
Nur 15 Straßenbahnminuten vom Zentrum Zagrebs entfernt findet sich Wladimir Kaminer in einer grünen Oase wieder: im Park Maksimir, der nach seinem Gründer, dem Bischof Maksimilijan Vrhovac, benannt wurde. Mit mehr als 300 Hektar ist es die größte Parkanlage in Südosteuropa. Ein anmutiges Gartenreich – geboren im Geiste der Aufklärung, vollendet in der Zeit der Romantik. Kaminers Reise in seine Geschichte führt in eine Zeit voller Umbrüche, deren Wendungen auch in der Gartenkunst sichtbar werden. Den aufgeklärten europäischen Ideen verpflichtet, beginnt Maksimilijan Vrhovac 1787 den Eichenwald in ein Gartenreich zu verwandeln. Im Jahre 1794 wurde der Park als Geschenk des Bistums an die Bürger der Stadt Zagreb übergeben: Arm und Reich sollten sich an seinem Grün erfreuen. Die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts sind von epochalen Umbrüchen geprägt. Auf den Napoleonischen Krieg und die französische Besatzung folgte der Wiener Kongress mit einer Neuordnung ganz Europas. In dieser unruhigen Zeit tritt ein neuer Bischof in Zagreb sein Amt an: Juraj Haulik. Er nimmt die Arbeiten am Park Maksimir wieder auf und gestaltet ihn zu einem englischen Landschaftsgarten um, ganz im Geist und Geschmack der neuen Zeit. Der Park ist nun ein wirklicher „Volksgarten“ für die Bevölkerung der wachsenden Stadt Zagreb. Bis heute ist „der Maksimir“ für seine Bürger ein Ort der Erholung, des Sports und der Kultur. Mit der Landschaftsarchitektin Sonja Jurkovic macht Wladimir Kaminer eine Reise ins 18. und 19. Jahrhundert und entdeckt die verborgenen Juwelen dieses Landschaftsgartens.
Wladimir Kaminer fährt ins westliche Ungarn und findet dort, in Fertöd, einen Garten, der seinesgleichen sucht. In dem ungarischen Landschaftsgroßraum Puszta, nahe dem Neusiedler See an der Grenze zu Österreich, baute Fürst Nikolaus I. von Esterházy (1714-1790) ein kleines Jagdschloss zu einem Rokoko-Palast mit einem gigantischen Garten um. Dieses Ensemble wird wegen seiner Schönheit bis heute das ungarische Versailles genannt. Im österreichischen Burgenland entdeckt Wladimir Kaminer einen zweiten, ganz anderen Garten der Esterházy. In und um Eisenstadt prägte ab 1794 der Enkel von Nikolaus I. das Gesicht der Region. Nikolaus II. (1765-1833) schuf hier mit romantisch-feudaler Gestaltungsfreude einen englischen Garten der Superlative. Es entstand eine Orangerie, die zu der größten Sammlung von exotischen Zier- und Nutzpflanzen Europas gehörte. Der junge Fürst verfeinerte die Eisenstädter Landschaft, die von Weingärten und Wäldern, Bergen und Ebenen geprägt wird, mit pittoresken Bauten. Doch all die Pracht hatte ihren Preis. Nach dem Tode des Fürsten waren die Finanzen der Familie aufgebraucht, ein Teil der Gartenschöpfungen verwilderte. Erst der Demokratisierungsprozess in den Staaten des Ostblocks ließ den Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel zu einer ungeteilten Kulturlandschaft werden, die seit 2001 zum Unesco-Welterbe gehört. Wladimir Kaminer reist durch das alte Feenreich der Esterházy und trifft hier auf Kunsthistoriker, Musiker, Winzer und engagierte Bürger, die das kulturelle Erbe der Fürstenfamilie wiederbeleben und bewahren.
Beiderseits der Neiße breitet sich der Fürst-Pückler-Park Bad Muskau in der Lausitzer Landschaft aus. Ein einzigartiges Stück künstlerisch gestalteter Natur, benannt nach seinem Schöpfer. Hermann Fürst von Pückler-Muskau gilt als genialster Gartenarchitekt seiner Zeit und noch heute als einer der bedeutendsten europäischen Landschaftsgestalter. 1815 legt er einen außergewöhnlich modernen und kunstsinnigen Landschaftsgarten an. Seine Arbeit beschreibt er als „Naturmalerei“. Dafür nutzt er statt Farben Wälder, Berge, Wiesen und Flüsse. Heute ist der Pückler-Park eine der wenigen staatenübergreifenden Weltkulturerbestätten der Unesco und mit seiner Gesamtfläche von rund 830 Hektar einer der größten europäischen Landschaftsparks im englischen Stil. Das Neue Schloss wurde nach seiner Zerstörung im 2. Weltkrieg wieder aufgebaut und strahlt seit 2012 in einer restaurierten Neorenaissance-Hülle. Heute ist es eine Pilgerstätte für Hochzeitspaare aus Polen und Deutschland. Auf der polnischen Seite sind Wege, Blickachsen und Gartenbilder wiederhergestellt. Die neu erbaute Doppelbrücke macht es möglich, von einem Parkteil in den anderen zu gelangen, ohne zu bemerken, dass man eine Ländergrenze überschreitet. Im 200. Jahr der Entstehung des Parks begibt sich Wladimir Kaminer auf die Spuren des genialen Gartenarchitekten, Hermann Fürst von Pückler-Muskau. Ob mit der Waldeisenbahn, auf dem Traktor oder mit dem Boot auf der Neiße: Wladimir Kaminer erkundet den riesigen Park und macht sich mit Hilfe von Parkarbeitern und Gartenliebhabern ein Bild dieses Gartenkunstwerks von Weltgeltung.