Der englische Schriftsteller Samuel Butler wunderte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts, wie die Schätze der Sacri Monti der Aufmerksamkeit der vielen Italienreisenden so gründlich entgehen konnten. Seither hat sich daran trotz des UNESCO-Welterbestatus nicht viel geändert: Auch der heutige Besucher steht seltsam allein und seinem eigenen Urteil überlassen vor einem stummen Theater, das in der Kunstgeschichte seinesgleichen sucht. So realistisch war die biblische Geschichte den Menschen nie zuvor gezeigt worden. Die neun Heiligen Berge – acht im Piemont, einer in der Lombardei – sind Pilgerstätten, die an die Stelle des verlorenen Jerusalem treten sollten. „Ein neues Jerusalem“, so steht es denn auch über dem Tor zu dem ältesten und bedeutendsten der Sacri Monti in Varallo am Fuße der Westalpen. In mehr als 40 Kapellen wird hier die Geschichte Christi erzählt – mit lebensgroßen, wie lebendig wirkenden Figuren, die zu höchst expressiven und oftmals erschütternden Ensembles gruppiert sind. Der Sacro Monte di Orta dagegen, über dem Orta-See gelegen, ist ganz dem Heiligen Franz von Assisi gewidmet und stellt ihn als zweiten Christus dar. Den revolutionären Gedanken nehmen heutige Besucher, oftmals eher Verliebte als Pilger, kaum zur Kenntnis. Der Sacro Monte di Oropa schließlich ist ein echter Ort des Volksglaubens, eine riesige Wallfahrtsstätte in 1.200 Metern Höhe über der alten Stadt Biella. Seit Jahrhunderten suchen Menschen dort Trost und Hilfe bei der als wundertätig verehrten Schwarzen Madonna von Oropa. (Text: 3sat)