Jahrzehntelang prägte das Bild von einer, im Gegensatz zur SS, "sauberen Wehrmacht" die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Dies erklärt die heftigen Reaktionen zur provokanten Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" nach ihrer Eröffnung vor zehn Jahren. Es gibt wohl kaum ein Thema, das seither öffentlich so kontrovers diskutiert wurde. Mehr als 17 Millionen Männer gehörten Hitlers Armee an - sie war ein Abbild der Gesellschaft. Praktisch jede deutsche Familie hat Soldaten in ihren Reihen gehabt: "War auch 'Opa' ein Verbrecher?" fragten sich zahlreiche Deutsche erstmals. Ehemals führende Militärs versuchten nach dem Krieg, die Verantwortung für die Mordtaten allein der SS anzulasten. Der Entschluss zur Vertuschung fiel längst vor der Niederlage: "Bei allem, was ich aussage, habe ich mir vorgenommen, es immer so zu drehen, dass das Offizierskorps reingewaschen wird. Rücksichtslos!", sagte General Edwin Graf von Rothkirsch. Auch er war im britischen Offiziers-Gefangenenlager Trent Park bei London interniert und wurde dort abgehört. Einige besonders bezeichnende Gespräche werden anhand der jüngst entdeckten Lauschprotokolle szenisch rekonstruiert. Am generellen Fazit lässt der aktuelle Forschungsstand keinen Zweifel: Die Liste der Verbrechen der Wehrmacht ist lang, vor allem an der Ostfront. Der Angriff auf die Sowjetunion, der Abermillionen Menschen das Leben kostete, war, in der Neuzeit beispiellos, vom ersten Tag an ein verbrecherischer Krieg. Im Osten erreichte die Totalisierung des Vernichtungskrieges einen historischen Höhepunkt. - Die Ermordung der Juden war das Menschheitsverbrechen, auch die Wehrmacht war darin verstrickt. Eine hohe Verantwortung trug namentlich die Generalität, die ihren durchaus erheblichen Spielraum fast nie zur Eindämmung von Unrecht und Gewalt einsetzte: im Gegenteil. 900.000 Männer, Frauen und Kinder, davon 500.000 im Operationsgebiet des Heeres, fielen dem Völkermord allein im ersten Jahr des Russlandfeldzugs zum Opf