Sabine Bühler ist 46-jährig, 141 cm gross und 33 Kilo schwer – die Masse einer Zehnjährigen. Mit Essensverweigerung wehrte sie sich als Kind gegen die schweren sexuellen Übergriffe ihres Turntrainers. Heute, nach 34 Jahren Magersucht, will sie nicht mehr Opfer sein und kämpft sich zurück ins Leben. Der Fall schockierte Ende der neunziger Jahre die ganze Schweiz: Ein Primarlehrer und Turntrainer hatte über Jahre hinweg mehrere seiner Turnerinnen sexuell missbraucht und abhängig gemacht. Sabine Bühler war das Hauptopfer des übergriffigen Turntrainers: Sieben Jahre lang musste sie ihm Tag und Nacht zu Willen sein. Als Reaktion auf seine ständigen Penetrationsversuche, beschloss Sabine Bühler als 13-jährige, nicht mehr weiter zu wachsen. Sie hörte auf zu essen und blieb tatsächlich klein, doch der Missbrauch ging weiter. Erst mit 19 Jahren befreite sie sich aus der totalen Abhängigkeit von ihrem Turntrainer. Danach ging das Leiden aber erst richtig los – Zwangsstörungen, Medikamentenmissbrauch, Depressionen und lange Klinikaufenthalte prägten fortan ihr Leben. Zeitweise wog Sabine Bühler noch 17 Kilogramm. Im letzten Dezember dann die Wende: Sabine Bühler kehrte ihren Entschluss von damals um und beschloss, zu essen und Frau zu werden. Nach über 30 Jahren Hungern und Leiden will sie heute nicht mehr dem Bild zu entsprechen, welches der übergriffige Turntrainer von ihr entworfen hatte. In kleinen Schritten kämpft sie sich ganz allmählich zurück in einen «normalen» Alltag. Helen Arnet begleitet Sabine Bühler durch ihr überschaubares Leben, dessen Vorhersehbarkeit dem ehemaligen Missbrauchsopfer Sicherheit vermittelt.