Giuseppe Verdi und Richard Wagner haben mit ihren Werken nicht nur die Oper verändert, sie haben die Musik revolutioniert. Diesem „Revolutionären“ in Biografie und Werk von Wagner und Verdi spürt der Filmemacher Pepe Pippig in der ersten Folge der Reihe nach. Dabei nimmt er den Begriff „revolutionär“ scheinbar wörtlich und lässt einen Staatsschützer im Auftrag der Bundeskanzlerin ermitteln, ob es heutzutage gefährlich sein kann, die Musik der beiden aufzuführen. Dieser Staatsschützer findet manche gravierende Indizien: So war Giuseppe Verdi Anhänger des Risorgimento, die Buchstaben V.E.R.D.I. wurden als Symbol für „Vittorio Emanuele Re D’Italia“, den späteren ersten König des neuen italienischen Nationalstaats, als Graffito an die Wände gemalt. Verdi hat den Aufständischen sogar 100 Gewehre besorgt. Der Gefangenenchor aus „Nabucco“ gilt bis heute als die heimliche Nationalhymne Italiens – und wird von der rechtsextremen „Lega Nord“ als Hymne für das separatistische Fantasie-Land „Padanien“ missbraucht. Richard Wagner träumte von der Einigung Deutschlands und wollte mit seinem Gesamtkunstwerk die Menschen bewegen. Nach der Teilnahme am Dresdner Maiaufstand 1849 wurde er steckbrieflich gesucht und musste das Land verlassen. Mit seiner unerträglichen Hetzschrift „Das Judenthum in der Musik“ verfasste er einen unrühmlichen Klassiker des Antisemitismus. Immer wieder wurde seine Musik von den Mächtigen vereinnahmt bis hin zur unseligen Allianz von Bayreuth und Hitler. Wagner und sein Werk polarisieren bis heute wie kein anderer Komponist. Für seinen Bericht an das Bundeskanzleramt unternimmt der Staatsschützer Recherche-Reisen nach Mailand, Dresden, Bayreuth und Berlin – und vernimmt prominente Experten wie den Dirigenten Christian Thielemann, den Tenor Rolando Villazon oder den Regisseur Hans Neuenfels.
„Ich bin und bleibe immer ein Bauer aus Roncole“ - Giuseppe Verdi hat seine Herkunft nie verleugnet: Geboren als Kind eines Dorfwirtspaares in dem kleinen Dörfchen in der Provinz Parma blieb er zeit seines Lebens tief verwurzelt mit seiner Heimatregion, der Emilia Romagna, dem flachen Land der Po-Ebene, der Heimat von Don Camillo und Peppone. Als Großgrundbesitzer und Agrarunternehmer war er der wichtigste Arbeitgeber der Gegend. Sein Landsitz in Sant‘Agata ist das Zentrum ausgedehnter Ländereien – und Verdis Kunstrefugium: „Ich bin hier und atme soviel Luft, wie ich will. Aber ich habe nichts zu bewundern als meine Kühe, meine Ochsen, Pferde und mache den Bauer, den Maurer, den Tischler, den Dienstmann, falls nötig ... Mithin addio Bücher, addio Musik, mich dünkt, die Noten vergessen zu haben und sie nicht mehr zu kennen ...“, schreibt er 1880 an den Impresario Opprandino Arrivabene. Die Emilia Romagna hat keine malerischen Landschaften zu bieten und nur wenig pittoreske Städte. Hier stellt man nichts zur Schau. Auch Verdi verbirgt sein Privatleben vor der Öffentlichkeit. Auf seinem Anwesen widmet er sich den alltäglichen Dingen des Lebens: als Bauer mit eigener Rinder-, Pferde und Geflügelzucht, der Molkereien, Bewässerungsanlagen und Kühlhäuser baut, Gemüse und Wein erntet und diesen täglich trinkt. Bei seinen Arbeitern ist er ebenso zu Hause wie auf den großen Opernbühnen der Welt. Die karge Landschaft der Emilia Romagna hat Verdis Charakter geprägt – und er prägt noch heute die Gegend. Sein Porträt ist allgegenwärtig und steht auch in der Metzgerei neben der Auslage mit einer seiner Lieblingsspeisen, dem Edelschinken Culatello. Der Organist der kleinen Dorfkirche von Roncole zeigt gerne ehrfürchtig die alte Holztreppe, auf der damals der junge Messdiener Giuseppe Verdi zur Orgel hochstieg, die er schon mit neun Jahren im Gottesdienst spielte. Als Komponist wie als Bauer ist Verdi reich genug, um als Wohltäter au
Der „sinnbetörende Rausch“ der Wagner'schen Musik (vor dem Nietzsche warnte, und der Brahms und Tschaikowski abschreckte) zieht unverändert seine Anhänger in den Bann. Der „Wagnerianer“ huldigt seinem Idol mit ehrfürchtiger, ja fast religiöser Hingabe, so wie das Thomas Mann von sich selbst berichtet: „Die Passion für Wagners zaubervolles Werk begleitet mein Leben. Was ich ihm als Genießender und Lernender verdanke, kann ich nie vergessen, nie die Stunden tiefen, einsamen Glückes inmitten der Theatermenge, wie eben nur diese Kunst sie gewährt. Ich bin nicht satt geworden, sie zu belauschen, zu bewundern..., ich gebe es zu.“ Andere Genies haben Fans, Wagner aber hat Jünger. Wie ist ihm das gelungen? Und wollte er das eigentlich? In den Revolutionsjahren Mitte des 19. Jahrhunderts galt Wagners Streben den Ideen von Freiheit und Nationalismus – er will die Deutschen von Fürstentümern und Tyrannei erlösen. Die Revolution scheiterte, Richard Wagner wurde steckbrieflich gesucht – und seine Idee einer Revolution veränderte sich, vom konkret Gesellschaftlichen und Politischen hin in Richtung einer Bewusstseinsreligion, die nach Erlösung vom Elend dieser Welt strebt. „Die Welt ist schlecht, grundschlecht, nur das Herz eines Freundes, nur die Träne eines Weibes kann sie aus ihrem Fluch erlösen“, schreibt er. Hochsymbolisch endet Wagners epochaler Zyklus „Der Ring des Nibelungen“ mit dem Finale der „Götterdämmerung“: Ein System aus Götterherrschaft, Macht, Gewalt und Gier bricht darin zusammen. Die Welt ist reif für eine Neuerfindung. Mit der Vollendung des Rings im Jahr 1874 ist klar: Wagner will nichts weniger als die Welt retten – und nur die Kunst kann den Weg dorthin bereiten. Kunst ist Religion und Religion ist Kunst. Daniel Gerlach spürt in seinem Film den verschiedenen Aspekten der „Wagner-Religion“ nach. Dabei entdeckt er Parallelen zu Buddhismus und Islam, lässt einen Experten für Mytholog
„Gleichwohl geht der Prozess der Emanzipation des Weibes nur unter ekstatischen Zuckungen vor sich. Liebe – Tragik“. Dies sind die letzten Worte, die Richard Wagner zu Papier bringt. Am 13. Februar 1883 schreibt er im Palazzo Vendramin-Calergi an Venedigs Canal Grande an einem Aufsatz über das Weibliche im Menschlichen, als er einen Herzinfarkt erleidet und stirbt. Haben die Frauen Richard Wagner ins Grab gebracht? An seinem Todestag hatte er mit seiner Frau Cosima einen heftigen Streit wegen seiner Leidenschaft für eine junge Sängerin. Wagner und die Frauen: ein weites und vielschichtiges Thema. Der Komponist hatte offenbar eine starke Ausstrahlung und Anziehungskraft auf das andere Geschlecht – und Wagner störte es dabei auch nicht, wenn er selbst oder seine Liebschaften anderweitig verheiratet waren. Zweimal spannte er guten Freunden und Förderern die Frau aus; die Beziehung zu Mathilde Wesendonck blieb allerdings letztlich unerfüllt – wobei des Komponisten Unglück ein Glücksfall der Musikgeschichte war. Nach Ansicht des deutschen Dirigenten und Wagner-Kenners Christian Thielemann konnte Wagner nur aus diesem Liebesleid heraus „Tristan und Isolde“ schaffen, „die Oper aller Opern, das intensiv Schlimmste, was jemals geschrieben worden ist.“ Wie Wagner heiratete auch der im gleichen Jahr geborene Giuseppe Verdi jung – doch seine Frau und die zwei gemeinsamen Kinder starben früh. Erst danach schuf Verdi die großen Frauenfiguren seiner Opern: emanzipiert, leidenschaftlich, manchmal rücksichtslos wie die Abigaille in „Nabucco“. Eine ideale Rolle für Giuseppina Strepponi, die Mailänder Primadonna jener Zeit, die bald darauf Verdis Frau werden sollte. Das Paar litt unter den Anfeindungen einer spießigen Gesellschaft, die sich am zweifelhaften Ruf der Sängerin störte und daran, dass sie Mutter dreier unehelicher Kinder war. Auch Verdi verarbeitete solche Probleme künstlerisch – und machte mit der Kurtisane Violetta in „L
Die Dokumentation schaut beim renommierten Wagner-Stimmen-Wettbewerb, nach welchen Kriterien die prominent besetzte Jury die Kandidaten bewertet – und lässt sich von dem legendären italienischen Gesangslehrer Elio Battaglia erklären, warum Sänger manchmal lieber sprechen sollten, anstatt zu singen. Interessant ist auch so mancher Blick in die Geschichte: eine historische Wachswalzen-Aufnahme zeigt zum Beispiel, dass Verdis Original-Otello Francesco Tamagno ganz anders klang, als man sich die Rolle heute üblicherweise vorstellt: nicht groß und baritonal gefärbt, sondern mit einer durchdringenden und fast trompetenartigen Stimmgebung. Es wird deutlich, dass die Unterscheidung von Wagner- beziehungsweise Verdi-Stimme eine ziemlich neumodische Erscheinung ist – zu Lebzeiten der Komponisten gab es eine solche Spezialisierung noch nicht. Und Dame Gwyneth Jones findet noch heute, dass eine Sängerin, die in der Nilszene der Aida auf dem hohen C schweben kann, auch keine Angst vor den gefürchteten Wagner'schen Walküren-„Hojotohos“ zu haben braucht.
In seiner Schrift „Der Fall Wagner“ urteilte Friedrich Nietzsche 1888 hart über den von ihm früher hochverehrten Komponisten: „Wagners Kunst ist krank. Die Probleme, die er auf die Bühne bringt – lauter Hysteriker-Probleme. Alles zusammen stellt ein Krankheitsbild dar, das keinen Zweifel lässt. Wagner est une névrose.“ Dass uns kaum etwas so bewegt wie Musik, dass sie direkt auf die Psyche wirkt und Freude, Rührung, Lust und Aggression ebenso auslösen kann wie metaphysische Verzückung, ist bekannt. Wagners Musik war für Nietzsche eine „Nervenkrankheit“– vom „Wohlfühlkomponisten“ Verdi würde niemand Ähnliches behaupten. Wie Musik wirkt, anregt oder beruhigt, das untersucht Christian Kugler in diesem Film mit wissenschaftlicher Akribie und der Hilfe prominenter Fachleute. Warum wirkt Wagner auf viele Hörer deprimierend oder manipulativ? Und ist es dann nicht logisch, wenn sein „Tristan“ den Soundtrack zu Lars von Triers Weltuntergangsdrama „Melancholia“ liefert und sein „Walkürenritt“ den legendären Hubschrauberangriff in „Apocalypse Now“ untermalt? Verdis Musik dagegen darf zur Lifestyle-Werbung trällern oder zum Happy End von „Pretty Woman“ aufspielen. Die Wirkung der Musik lässt Christian Kugler wissenschaftlich messen, u.a. mit Hilfe eines Elektroenzephalogramms, das deutlich zeigt, welche Art von Musik vermehrt Alpha-Wellen in den Gehirnen der Probanden auslöst – und damit Wohlbefinden.