Vier Autostunden nördlich von Kairo im Nildelta liegt ein kleiner Ort namens Ezbat El-Gawhary, benannt nach der Familie von ORF-Ägypten-Korrespondent Karim El-Gawhary. Vor 85 Jahren von El-Gawharys Großvater gegründet, leben dort heute mehrere hundert Menschen, weitgehend Nachkommen seiner Großonkel und Großtanten, die als Kleinbauern ihr Auskommen finden. Ezbat El-Gawhary ist ein Ort wie tausende andere in Ägypten, hier manifestieren sich alle Probleme, Herausforderungen und Chancen Ägyptens: von Armut, Bevölkerungswachstum, Migration und Wassermangel bis zum Kampf um Bildung und Perspektiven, um die Stellung der Frau und den Stellenwert der Religion. Karim El-Gawhary hat gemeinsam mit seinem 77jährigen Vater die Verwandten in dem entlegenen Dorf besucht und lässt uns eintauchen in die Lebensrealität von Menschen, die in ihren vom Staat vernachlässigten Orten selten Gehör finden. Es ist eine Welt, in der die Zeit auf den ersten Blick stehengeblieben scheint, wenn der Dieselmotor des Wasserrades zur Bewässerung mit einer Zigarette vorgeglüht und kräftig am Keilriemen gezogen wird, bevor sich das Rad mühsam in Bewegung setzt. Und doch ist das Dorf auch in das globale System integriert, werden dort inzwischen auch Kartoffeln und Süßkartoffeln für den Export geerntet und wandern die Menschen von dort als Arbeiter in reichere Länder aus. Und es findet ein stiller Umbruch statt, vor allem bei den Frauen. Die Zeit der früher üblichen Kinderehen ist vorbei. Die Familien sind stolz auf die Ausbildung ihrer Töchter. Die erste Generation selbstbewusster junger Frauen des Dorfes besucht jetzt die Universitäten in der Provinzhauptstadt. Eine Reportage über lautlose gesellschaftliche Veränderungen in der arabischen Welt, jenseits der Schlagzeilen und großen Politik. (Text: ORF)