Als sich 1991 der baltische Staat Estland von der zusammenbrechenden Sowjetunion löste und seine Unabhängigkeit erklärte, war vieles unklar. Zu eng waren bis dahin die Verbindungen zu Russland, zu groß auch der Anteil der russisch-stämmigen Bewohner Estlands im Staat. Ganz zu schweigen von der Eisenbahn: Estland hatte die russische Breitspur im Netz und fast ausschließlich "Ostblock"-Loks und Waggons. Der Waren-Austausch mit der EU auf der Schiene war schon deshalb zunächst extrem schwierig...Estland aber war wild entschlossen, so schnell wie möglich das sowjetisch-russische Erbe hinter sich zu lassen. Über Jahre hinweg wurde nicht-russischer Ersatz gekauft oder geleast – großzügig finanziell unterstützt von der Europäischen Gemeinschaft und vom estnischen Staat. Also fahren heute im Personenverkehr ausschließlich Regionalzüge aus der Schweiz – Stadler FLIRT - , Trambahnen aus Czechien oder Spanien und als Clou im Frachtverkehr General-Electric-Ungetüme aus den USA. Die sind zwar mit ihren 191 Tonnen für europäische – und russische Schienen eigentlich zu schwer, macht aber nichts, denn mit den 191-Tonnen-Loks war der Frachttransport Estlands unabhängig von russischen Produzenten. Eisenbahnfreunde, die eine GE C30-7 im Einsatz sehen wollen, müssen dafür nach Australien oder Amerika reisen – oder eben in die waldreichen Gebiete Estlands. 26 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung ist die Geschichte der Eisenbahn in Estland eine Erfolgsstory: Estland fährt Eisenbahn. Die Passagierzahlen nehmen stetig zu, die Überlastung der Straßen rund um die Hauptstadt sorgt dafür, dass immer mehr Esten zur Arbeit das ELRON-Netz mit den schicken Zügen aus der Schweiz nutzen. Im Frachtverkehr werden die einzigen beiden Eisenbahnstrecken ins Ausland über Narva und Voru/Koidula von und nach Russland im gegenseitigen Im- und Exportverkehr genutzt und selbst der in der Krise zwischen EU und Russland zeitweise eingestellte Direktzug Tallinn-Sankt Pe