Mitte der 50er Jahre ist die Situation für Flüchtlinge und Vertriebene in Nordrhein-Westfalen voller Kontraste. Die erste Generation der Ostpreußen, Schlesier und Sudetendeutschen hat sich längst in ihren adretten Eigenheimen in einer der vielen Flüchtlingssiedlungen des Landes und im Berufleben eingerichtet. Viele sind durch ihre Mitgliedschaft in den örtlichen Vereinen oder im Kirchenchor, manche auch durch Heirat längst Einheimische geworden. Trotzdem ist der landsmannschaftliche Zusammenhalt untereinander enorm wichtig. Die Ostpreußin Marianne Bokemeyer, die 1945 nach der Flucht in Ostwestfalen ankommt, ist lange in Bad Oeynhausen Anlaufpunkt für ihre Landsleute. "Als wir 1957 die Apotheke aufmachten, da kamen alle Ostpreußen zu uns. Sie glauben nicht, was das ausmachte. Die kamen einfach zu mir, um das Gefühl zu haben das ist unsere Landsmännin. Jeder konnte von dem erzählen, woher er kam. Wir hatten ja nicht so viel zu tun und Zeit zu reden." Gleichzeitig gibt es immer wieder Neuankömmlinge, die in die Barackenlager, zum Beispiel in Stukenbrock oder Wipperfürth, eingewiesen werden und dort unter ärmlichen Bedingungen wohnen müssen: ein Zimmer für eine ganze Familie, alte verwohnte Etagenbetten, Apfelsinenkisten, gestapelt, mit einem Vorhang davor, um das Nötigste unterzubringen. Es sind vor allem Spätaussiedler aus Schlesien, die jetzt ankommen, Menschen, die bei der großen Welle der Vertreibung am Kriegsende ihre Heimat nicht verlassen durften oder wollten und nun ein Jahrzehnt unter polnischer Herrschaft zugebracht haben. Weil vor allem die Kinder und Jugendlichen unter ihnen nicht mehr deutsch sprechen, haben sie bei der Ankunft mit besonderen Problemen zu kämpfen. Neben ihnen gibt es weitere Flüchtlinge, die jetzt in immer größerer Zahl an Rhein, Ruhr und Weser eintreffen: Bis zum Mauerbau 1961 kommen zehntausende Menschen aus der DDR, die oftmals kurz entschlossen aus politischen Gründen dem Arbeiter- und Bauernstaat den Rücken
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Heike Mund | Writer |