Die Gegensätze scheinen im Wald- und Seenparadies von Berlin Steglitz-Zehlendorf zu verschwimmen. Doch hinter den bekannten Geschichten verbergen sich unbekannte, aberwitzige, auch verstörende Erzählungen: vom Flugpionier Otto Lilienthal und seinem Bruder Gustav, der verspielte Burgen in Lichterfelde baute, oder von der Villa in Dahlem, die zur Nazizeit jüdische Waldschule war, dann Ribbentrops Spionagezentrale und heute das Deutsche Archäologische Institut beherbergt. Von der Krummen Lanke, an deren Ufern ein Mord geschah und deren Waldsiedlung einst für die SS gebaut wurde. Von der Lungenklinik Heckeshorn, in der Ärzte auf dem Motorrad fahrend die Visite abnahmen und in der heute Krimis gedreht werden. Überall finden sich noch heute Spuren der Alliierten, vor allem der Amerikaner. Ihre Kasernen wurden zu Wohnhäusern oder zum Bundesarchiv. Ihr Kino zum Museum – mit originalem Spionagetunnel … Und dazwischen tanzt in Dahlems „Eierschale“ die 82-jährige Christel Schwanz Rock’n’Roll, restauriert Sabine Mlangeni geschundene Geigen und spricht Karl-Uwe Heußner mit Bäumen. Wie sich die Großstadt Berlin die angrenzenden Dörfer von Steglitz über Dahlem bis Zehlendorf einverleibt hat, ist hier noch immer zu sehen. Und wie sie sich als Inseln der Beschaulichkeit und als Widerstandsnester bis heute behauptet haben auch. Steglitz-Zehlendorf ist nur an wenigen Plätzen abgrundtief hässlich und an vielen umwerfend schön. Ein Bilderbuch – matt glänzend, in sepia und schwarz-weiß. (Text: rbb)