Im Frühling 1966 zieht der deutsche Schriftsteller Uwe Johnson mit Frau und Kind nach New York. Er folgt der Einladung der Verlegerin Helen Wolff, um ein Jahr als Schulbuchlektor im Verlag Harcourt, Brace & World zu arbeiten. Während dieser Zeit kommt ihm die Idee zu einem monumentalem Romanwerk: „Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl“. Uwe Johnsons Opus Magnum ist ein Reisebericht anderer Art. Johnson taucht zwar durchaus auf in seinen „Jahrestagen“, erlebt und erfahren aber wird die Stadt hauptsächlich von seinem Alter Ego, der Romanfigur Gesine Cresspahl, die als junge, alleinerziehende Frau nach New York kommt und die Stadt mit den Augen Uwe Johnsons sieht. Die „Jahrestage“ haben als äußeren Rahmen ein Jahr in New York: 366 Tageseinträge, der erste datiert vom 21. August 1967, der letzte vom 20. August 1968 – der Nacht, in der Armeen der Warschauer-Pakt-Staaten die CSSR besetzen und dem Prager Frühling ein Ende machen. Erinnerungen werden überlagert von Beschreibungen der Stadt New York, vom Zitieren aktueller Zeitungsmeldungen aus der „New York Times“. Die Zeitung ist für Johnson wie für Gesine ein Fenster zur Welt. Alltägliche Beschreibungen eines Großstadtlebens und Schicksalsskizzen von den dramatischen Ereignissen zwischen August 1967 und August 1968, Vietnamkrieg, politische Morde an Robert Kennedy und Martin Luther King, die Rassenunruhen, der Prager Frühling – das sind für Johnson Jahrestage, an denen die Vergangenheit der Kriegs- und Nachkriegszeit mit der Gegenwart der 60er Jahre zusammenprallt. Und all diese Jahrestage sind verbunden mit Orten in New York, auf deren Suche sich der Film begibt. Zeitzeugen wie der Filmemacher Michael Blackwood, für dessen Film „Summer in the City“ Uwe Johnson den Kommentar schrieb, kommen ebenso zu Wort wie die Bewohner des Riverside Drive, wo sowohl Johnson als auch seine Romanfiguren lebten. (Text: arte)