Das 20. Jahrhundert begann auf Knopfdruck: 1900 eröffnete die Pariser Weltausstellung, die Millionen von Besuchern anzog. Das Licht von Hunderttausenden von Glühbirnen machte die Nacht zum Tage. Technologie und Fortschritt waren überall. Doch die Welt hatte Angst vor ihrer eigenen Erfindungskraft. Um einen allzu großen Schock zu vermeiden, hatten die Architekten der Weltausstellung die Maschinen, von denen die moderne Welt angetrieben wurde, hinter historischen Fassaden versteckt. Sogar der Grand Palais, ein Koloss aus Stahl und Glas, bekam eine Steinfassade mit klassischen Säulen und Skulpturen. Hinter den Fassaden aber dämmerte bereits das 20. Jahrhundert herauf. Wo immer man hinsah, auf das selbstbewusste Frankreich und die Prunkalleen in Berlin, auf das scheinbar so stabile Wien oder das britische Empire, überall bahnte sich eine neue Ordnung ihren Weg. Relativitätstheorie, Massenmedien, Demokratisierung: Die Unsicherheit saß tief und brach immer wieder hervor. An Sündenböcken mangelte es nicht. Die Großstädte, die Technologie, das neue Selbstbewusstsein der Frauen, die Juden – sie alle mussten als Hassobjekte herhalten. Jugendkultur, Fitness, Burnout, Globalisierung der Nahrungsströme, Medien, die Politiker ins Straucheln bringen – vieles von dem, was man als typische Kennzeichen der Gegenwart hält, hat schon vor über 100 Jahren begonnen, vor 1914, vor dem Ersten Weltkrieg. Es war eine Zeit des Aufbruchs, sagt der Historiker Philipp Blom in seinem Buch „The Vertigo Years“, das unter dem Titel „Der taumelnde Kontinent“ auf Deutsch erschienen ist. Die dreiteilige Reihe „Der taumelnde Kontinent“ blickt deshalb bewusst nicht nur auf das prägende Ereignis des Ersten Weltkriegs, dessen Beginn sich 2014 zum 100. Mal jährt, sondern stellt die Zeit von 1900 bis 1914 in den Fokus der Betrachtung. Beginnend mit der Weltausstellung in Paris streift der erste Teil durch Europa. Die beiden weiteren Teile des Dreiteilers „Der taumelnde Kont
Jugendkultur, Fitness, Burnout, Globalisierung der Nahrungsströme, Medien, die Politiker ins Straucheln bringen – vieles von dem, was man für typische Kennzeichen der Gegenwart hält, hat es schon vor über 100 Jahren gegeben, vor 1914, vor dem Ersten Weltkrieg. Es war eine Zeit des Aufbruchs, sagt der Historiker Philipp Blom in seinem Buch „The Vertigo Years“, das unter dem Titel „Der taumelnde Kontinent“ auf Deutsch erschienen ist. „Alles“, schreibt Blom, „was im 20. Jahrhundert wichtig werden sollte, das entfaltete zwischen 1900 und 1914 erstmals seine Massenwirkung oder wurde sogar dann erfunden.“ In den ersten 15 Jahren des 20. Jahrhunderts wurde vorgebildet, was später das 20. Jahrhundert ausmachte – vor allem eine ungeheure Beschleunigung in allen Lebensbereichen, die eine Verunsicherung der Menschen mit sich brachte, Unbehaustheit, transzendentale Obdachlosigkeit, Entfremdungsgefühle: alles wesentliche Charakteristika der Moderne. Ebenso begannen in dieser Zeit der Siegeszug der Technik, der Maschine – und die Defensivstrategien, mit denen viele Menschen, vor allem Intellektuelle und Künstler, auf die sich so rasant verändernde Welt reagierten. Niedergangs-Diskurse, Antisemitismus, spirituelle Erneuerungen, Radikalisierung und Formzertrümmerung in den Künsten: Das alles waren Reaktionen auf die Modernisierung. Die dreiteilige Reihe „Der taumelnde Kontinent“ blickt bewusst nicht nur auf das prägende Ereignis des Ersten Weltkriegs, dessen Beginn sich 2014 zum 100. Mal jährt, sondern stellt die Zeit von 1900 bis 1914, in der Europa rast und taumelt, in den Fokus der Betrachtung. „Der taumelnde Kontinent“ zeigt die Umbrüche dieser Zeit und zeichnet ihre Auswirkungen auf unsere heutige Welt nach. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Beschleunigung des Alltags – zunächst in Gestalt von Maschinen und Technik, aber auch durch gesellschaftliche Entwicklungen. Als nächsten Beitrag der Themenwoche „Europa am Abgrund
Jugendkultur, Fitness, Burnout, Globalisierung der Nahrungsströme, Medien, die Politiker ins Straucheln bringen – vieles von dem, was man für typische Kennzeichen der Gegenwart hält, hat es schon vor über 100 Jahren gegeben, vor 1914, vor dem Ersten Weltkrieg. Es war eine Zeit des Aufbruchs, sagt der Historiker Philipp Blom in seinem Buch „The Vertigo Years“, das unter dem Titel „Der taumelnde Kontinent“ auf Deutsch erschienen ist. „Alles“, schreibt Blom, „was im 20. Jahrhundert wichtig werden sollte, das entfaltete zwischen 1900 und 1914 erstmals seine Massenwirkung oder wurde sogar dann erfunden.“ In den ersten 15 Jahren des 20. Jahrhunderts wurde vorgebildet, was später das 20. Jahrhundert ausmachte – vor allem eine ungeheure Beschleunigung in allen Lebensbereichen, die eine Verunsicherung der Menschen mit sich brachte, Unbehaustheit, transzendentale Obdachlosigkeit, Entfremdungsgefühle: alles wesentliche Charakteristika der Moderne. Ebenso begannen in dieser Zeit der Siegeszug der Technik, der Maschine – und die Defensivstrategien, mit denen viele Menschen, vor allem Intellektuelle und Künstler, auf die sich so rasant verändernde Welt reagierten. Niedergangs-Diskurse, Antisemitismus, spirituelle Erneuerungen, Radikalisierung und Formzertrümmerung in den Künsten: Das alles waren Reaktionen auf die Modernisierung. Die dreiteilige Reihe „Der taumelnde Kontinent“ blickt bewusst nicht nur auf das prägende Ereignis des Ersten Weltkriegs, dessen Beginn sich 2014 zum 100. Mal jährt, sondern stellt die Zeit von 1900 bis 1914, in der Europa rast und taumelt, in den Fokus der Betrachtung. „Der taumelnde Kontinent“ zeigt die Umbrüche dieser Zeit und zeichnet ihre Auswirkungen auf unsere heutige Welt nach. Der dritte Teil analysiert die Entstehung der modernen Massen Gesellschaft, die Auflösung gesellschaftlicher Schranken und die Entwicklung einer Kommunikationsgesellschaft. Als nächsten Beitrag der Themenwoche „Europa am Abgru