Näherin Trinh Hoai Chau hat ein gutes Einkommen – mit Parteiwimpeln und Fußballtrikots. Die Unternehmerin findet den Kapitalismus im Kleinen, der ihr die Kassen füllt, gut – und ist doch auch stramme Parteisoldatin. So wie sie lavieren viele Vietnamesen zwischen Sozialismus und Marktwirtschaft. Die Sozialistische Republik Vietnam wird von vielen Ökonomen als neuer Wachstumsmarkt entdeckt. In den Fußstapfen Chinas praktiziert Vietnam erfolgreich „Doi Moi“ – eine wirtschaftliche Öffnung des Landes bei politischem Alleinherrschaftsanspruch der Kommunistischen Partei. Zwar bietet Vietnam nicht den Milliarden-Menschen-Markt Chinas. Das Land ist auch nicht so entwickelt wie der asiatische „Tiger“ in der Nachbarschaft. Aber es wirft eine ungewöhnlich junge, fleißige und erfolgshungrige Bevölkerung in die Waagschale. Nicht ohne Grund werden die Vietnamesen gern als „Preußen Asiens“ bezeichnet. Der Spagat zwischen Sozialismus und Marktwirtschaft ist Nährboden für ungewöhnliche Geschäftsideen. Das Pro-Kopf-Einkommen hat sich in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt. Das Land hat konstante Wachstumsraten von cirka sieben Prozent. Bei der Armutsbekämpfung ist Vietnam derzeit sogar das erfolgreichste Land der Welt. Aus dem Kriegsgegner USA ist ein geschätzter Handelspartner geworden, und auch Deutschland stehen die Vietnamesen freundlich gegenüber – dank der vielen in der DDR ausgebildeten Landsleute. Zunehmend entdecken auch deutsche Unternehmer Vietnam als Produktionsstätte. Doch mit der rasanten Entwicklung mehren sich auch die Probleme: Städte wie Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt wachsen im Eiltempo, Abwasserkanäle und Straßen sind überlastet, die Energieversorgung steht auf wackligen Beinen. Und Vietnams Reisbauern sollen zu Facharbeitern umgeschult werden – eine Herkulesaufgabe, denn drei von vier Vietnamesen leben noch auf dem Land. (Text: 3Sat)