Simone de Beauvoir war eine der berühmtesten Frauenrechtlerinnen. Mit ihrem Lebensgefährtin Jean-Paul Sartre lebte sie in einer offenen Beziehung. Doch was weiß man noch von der Intellektuellen, die so eng mit ihrer Zeit, ihrem Engagement und dem Existenzialismus verbunden war? Darf man Beauvoir auch als eigenständige Philosophin betrachten? Für Geneviève Fraisse geht es bei dieser Fragestellung auch um eine bestimmte Auffassung von Gleichberechtigung: Was nützen Rechts-, Lohn- und Chancengleichheit, Empfängnisverhütung und körperliche Selbstbestimmung der Frau, wenn man immer noch annimmt, die Tätigkeit des weiblichen Gehirns sei umgekehrt proportional zur Tätigkeit der Gebärmutter?
Die endgültige Emanzipation der Frau gehe über die Anerkennung ihres "Verstandes", also ihrer Fähigkeit zu Reflexion, spekulativem Denken und Entscheidung. "Der weibliche Verstand ist das große Thema der Moderne. Daraus leiten sich alle Rechte ab: Staatsbürgerschaft, wirtschaftliche Unabhängigkeit, Empfängnisverhütung, das 'Habeas Corpus' der Frauen", erklärt Geneviève Fraisse.
Daraus ergeben sich weitere Fragen: Wie kann eine Frau denken, ohne den Eindruck zu erwecken, sie sei dabei auf die Kategorien ihres eigenen Geschlechts beschränkt und somit zum Partikularismus verdammt? Und wie kann man sich von der Unterstellung lösen, "abstrakt" denkende Frauen würden nur die vorherrschende, männliche Denkform fortsetzen? Kann man von Frauen sprechen und dabei das eigene Frausein außer Acht lassen? Ist Weiblichkeit eine Männeridee? Ist es frauenfeindlich, den Frauen Tugenden zuzuschreiben, über die die Männer nicht verfügen?